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Jeff Koons

Meine erste Reaktion auf die Ankündigung, im Beyeler Museum werde Koons gross gezeigt, stand von vornherein fest: Ohne mich! Doch  Neugier hat das Vorurteil dann doch unterwühlt. Zudem drängte sich die Vermutung auf, es müsse an diesem Kerl was dran sein, wenn die Fondation Beyeler sich mit ihm einlasse.

 

Die Koons-Werkschau gliedert sich in die Abteilungen „The New“, „Banality“ und „Celebrations“. Die erste zeigt Ready Mades aus den frühen Achztigern mit clean inszenierten Reinigungsgeräten von Hoover. Das Verfahren war damals schon ein uralter Hut. Seit Marcel Duchamps berühmtem Skandalwerk „Fountain“ – ein als Objet trouvéauf das Podest der Kunst gehobenes Urinoir – war es, als Koons die Methode aufgriff, schon sechs Jahrzehnte her. Trotzdem sind die Arbeiten interessant. Als Besonderheit von „The New“ fällt die geradezu unwirkliche Cleanliness auf, eine manische Sterilität, die wohl ein Kennzeichen des American Way of Life ist.

 

Penetrante Asepsis prägt die gesamte Schau. Haben auch die unter „Banality“ firmierenden Objekte der zweiten Werkgruppe oft einigen Schalk, so gefriert dieser sogleich unter einer Eisschicht von Selbstbezogenheit. Plapperhaft sind sie wohl, diese Niedlich- und Nettigkeiten, aber sagen können sie nichts. Die aufgezoomte Nippesfigur „Michael Jackson and Bubbles“, wohl das Hauptwerk von „Banality“, ist im doppelten Sinn programmatisch banal: Es setzt eine Ikone der Trivialität der kritisch-ästhetischen Aufmerksamkeit aus – was die Figur in viele Bezüge rücken und zum Reden bringen könnte – , doch das Werk banalisiert auch diese Korrespondenzen. Kuscheltiere und populäre Comics determinieren den Level ästhetischer und inhaltlicher Deutungsmöglichkeiten der „Banality“-Serie. Die Objekte bleiben stumm.

 

Ganz anders als die beiden ersten hat die dritte Abteilung der Koons-Schau mich gefesselt. Für die neuesten Werke wie „Hanging Heart“, „Balloon Dog“, „Balloon Swan“, „Tulips“ sowie eine Reihe grossformatiger Ölbilder passt die Affiche „Celebration“ perfekt. Zelebriert wird hier eine ungetrübte Harmonie, ein Kult der Oberflächen und der totale Bruch zwischen Effekt und Gehalt. Einige dieser Arbeiten sind zwar sicherlich gezielt gesetzte Knaller, die Jeff Koons prompt in die oberste Liga des hyperventilierenden Kunstmarkts katapultiert haben. Doch sie haben es wirklich in sich, diese Objekte.

 

Durch schiere Grösse und ihre umwerfende technische Perfektion erreichen sie eine nachdrückliche Präsenz, die wohl niemanden gleichgültig lässt. In strahlenden Bonbonfarben auf makellosen Hochglanz poliert, spiegeln sie den Betrachter selbst, den Raum, weitere Besucher, benachbarte Objekte und machen einen umstandslos zu einem Teil ihrer visuellen Wirkung. Alle Körper sind glatt, die Kurven und Wölbungen in ungehemmtem Gleichklang. Ihre Gegenständlichkeit wirkt ebenso platt wie rätselhaft. Nicht anders die mit den Skulpturen korrespondierenden Gemälde: Sie zeigen teilweise die gleichen Objekte und spiegeln diese auf hochglänzenden, theatralisch drapierten Folien. Umgesetzt sind sie mit der seelenlosen Präzision von Plots ab Computer, obschon sie von Atelierteams nach numerischen Vorgaben akribisch in Öl auf Leinwand gepinselt wurden.

 

Koons exerziert nicht bloss eine postmoderne, sondern eine postindividuelle Kunst. Handschrift, persönlicher Ausdruck, Ringen um Form, gelebtes Leben, existenzielle Suche – all dies ist hier ausgemerzt. Doch solch fehlende Grundbedingungen des Menschlichen erscheinen in Koons‘ Kunst nicht als Defizit. Dem Individuum wird nicht nachgetrauert. Es herrscht kindliche Happyness, Freude am Effekt, Erotik der Oberfläche. Koons zeigt wohl einen gewissen Schalk, aber weder Ironie noch Leidenschaft. Sein Programm des inhaltlos Theatralischen, des makellos Sauberen und der geheimnislosen Oberflächen ist auf ganz unernste Weise ernst gemeint. Da hat einer, der offensichtlich nichts mitteilen will, sich auf irritierende Weise Weise von allen Inhalten der Kunst verabschiedet.

 

Gesehen am 29. Mai 2012 in der Fondation Beyeler, Riehen bei Basel

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