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Adressbüros und Intelligenzblätter

Um 1630 gründete Théophraste Renaudot in Paris sein „Bureau d’adresse“, eine Informationsdrehscheibe für verschiedenartige Kommunikationsbedürfnisse der Grossstadtbevölkerung. Die Idee war simpel, revolutionär und genial: Jedermann konnte hier Anfragen aller Art, Bedarf nach Dienstleistungen und Produkten, Stellengesuche, Kaufwünsche für Immobilien, Kreditgesuche oder Geschäftsvorschläge hinterlegen. Das gleiche Büro diente ebenso den Anbietern unterschiedlichster Auskünfte, Dienste und Produkte, den Arbeitgebern, Hausverkäufern, Investoren und Händlern als Kontaktbörse. Um Nachfrager und Anbieter zusamenzubringen, entwickelte Renaudot eine Registratur sowie ein Prozedere, die einerseits schnell funktionierten (das Ziel war: Antwort in einer Viertelstunde) und andererseits bei Bedarf eine Anonymisierung ermöglichten. Bald ergänzte er die handschriftliche Registratur durch gedruckte Annoncenblätter. Die 1631 gegründete „Gazette de France“ diente neben der Verbreitung der Rubrikeninserate auch als gouvernementales Amtsblatt; sie bestand bis zum Ersten Weltkrieg.

 

Renaudot war erfolgreich und dehnte die Geschäftstätigkeit seines Bureau d’adresse auf immer neue Gebiete aus. Damit weckte er allerdings den Neid der Konkurrenten und den Argwohn der Obrigkeit. Nach dem Tod Kardinal Richelieus, der ihn protegiert hatte, war Renaudots Höhenflug gestoppt.

 

Ähnliche Einrichtungen entstanden vom 17. bis zum 19. Jahrhundert in mehreren europäischen Städten. Sie hiessen „Universal Register Office“, „Adresscomptoir“, „Fragamt“, „Intelligenzbüro“ oder „Berichthaus“. In Zürich, meiner Stadt, gibt es heute noch eine „Berichthaus Druckerei“. Sie gab im 19. Jahrhundert das „Zürcherische Wochenblatt“ heraus, eine Zeitung vom Typ des Intelligenzblatts. Diese dienten den Obrigkeiten zur Verbreitung von Bekanntmachungen und Anweisungen und dem Publikum gleichermassen zum alltäglichen Austausch wie zur Unterhaltung.

 

Die Notiz Nr. 8 im „Zürcherischen Wochenblatt“ vom 23. August 1832 teilte folgendes mit: „Sonntag, den 19. Augustmonat hat sich ein junges schwarzes Hündli mit einem neuen rot ledernen Haldband, auf dem Weg von der Enge nach Zürich verloffen; wer von demselben Nachricht ertheilen kann, ist ersucht es im Berichthaus gegen Erkenntlichkeit anzuzeigen.“

Das Zeitalter der Social Media hat die Gesellschaft und ihre Kommunikation offensichtlich nicht so fundamental verändert, wie die Herolde der technischen Revolutionen glauben. Die Mittel sind neu, die Inhalte und die dahinter steckenden Bedürfnisse sind es nicht.

 

Die Anregung und einen Teil der Informationen für diesen Post gab mir der Aufsatz von Anton Tantner: Adressbüros. Von Suchmaschinen im analogen Zeitalter, in: Merkur Nr. 764, Januar 2013.

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