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Schatzkästlein I

Johann Peter Hebels Geschichten und Räsonnements erschöpfen sich nicht im Putzigen. Da wird vielmehr mit aller Gründlichkeit aufgeklärt. „Der Maulwurf“ (S. 66ff) ist das schlagende Beispiel: „Wer hat’s gesehen, dass der Maulwurf die Wurzeln abfrisst?“ Die Frage wird mit gründlicher Beweisführung erledigt und der zu Unrecht beschuldigte Maulwurf rehabilitiert mit einem Plädoyer, das in die Geschichte grosser Gerichtsreden einzugehen verdient. Doch Hebel wäre nicht Hebel, ginge die Sache ohne ein Schmunzeln ab und wäre sie nicht in gedrechselter, dramaturgisch fein abgestimmter Form dargeboten.

 

Manchmal scheint es gar, der Moralist Hebel nehme sich selber auf den Arm. Die Schurkengeschichte „Der schlaue Husar“ (S. 63f) schliesst er mit einem zugleich moralischen und ironischen Kommentar: „Das war fein und listig, aber eben doch nicht recht, zumal in einer Kapelle.“

 

Hebels Erklärungen zum „Weltgebäude“, die astronomischen und geophysikalischen Texte also, geben einen starken Eindruck von der damals elementar erlebten Begeisterung für das Wissen. Aberglauben, Irrtum und Unwissenheit können beseitigt werden! Mystifikationen müssen der Wahrheit Platz machen! Und Wahrheit, da ist Hebel ganz Aufklärer, ist das Bewiesene, das Überprüfbare und Erklärbare.

 

Hebels Welt ist verständlich, aber nicht simpel. Was er den Lesern des Schatzkästleins zumutet, dürfte viele von ihnen ganz schön gefordert haben. Sie sollen räumliche Bewegungen von Himmelskörpern begreifen, Argumentationsketten erfassen und zwischendurch mit Zahlenrätseln ihre Hirne trainieren, um den Ansprüchen aufklärerischer Erbauung genüge zu tun.

 

Wo es um Naturbeschreibung und Welterklärung geht, ist Hebel ohne jede Betulichkeit – aber nicht ohne seine unnachahmliche Selbstironie. So meint er, als er die im Vergleich zur Sonne bescheidenen Dimensionen des Mondes und seiner Umlaufbahn schildert, dies sei – angesichts des Verzichts auf’s Imponieren mit möglichst grossen Zahlen – ein Beweis dafür, „dass er (der Hausfreund) gerne bei der Wahrheit bleibt. Und da Tag und Nacht auf dem Mond je etwa zwei Wochen dauerten, müsse der Nachtwächter dort 223 schlagen oder 309. (S. 73f)

 

Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes (zitiert nach der Insel-Ausgabe)

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