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Documenta 14

Der Besuch von Nummer 13 vor fünf Jahren war gebucht und musste abgesagt werden. Nun also, zehn Jahre nach der letzten Fahrt nach Kassel, endlich wieder eine Documenta. Vier Tage nahmen wir uns Zeit, drei davon für die Ausstellung, die als die wichtigste Bestandsaufnahme der zeitgenössischen Kunst gilt. Seit längerem befolgt sie ein geradezu monarchisches Prinzip: Ein Kurator bekommt eine Frist von drei Jahren und freie Hand für die Einladung von Kunstschaffenden oder –werken sowie die Konzipierung und Gestaltung der Schau. Herrscher über die Documenta 14 ist der polnische Künstler Adam Szymczyk.

 

Die so festgelegte Formel zur Ausrichtung der Documenta entspricht einem Geniekonzept. Seit der Renaissance hat es die Kunst geprägt; allerdings in den letzten Jahrzehnten nicht mehr unwidersprochen. In die Documenta ist damit ein Spannungsmoment fest eingebaut: Sie zielt erklärtermassen auf Auseinandersetzung mit einer Vielfalt von Positionen und Trends der Gegenwartskunst – und sie setzt zur Anzettelung der Debatten auf das hierarchische Wirken des auserwählten Kurator-Genies. Das kann gutgehen, wenn der Documenta-Macher interessiert ist an vielseitigen, divergenten Manifestationen, an Reibungen, an Debatten.

 

Adam Szymczyk hat andere Interessen. Er kämpft für eine kämpferische Kunst, die ihre Feinde kenntlich macht: Kapitalismus, Imperialismus, Globalisierung, Nationalstaaten. Mithilfe eines Amalgams von Kunst-Sprech und neo-linker Terminologie identifiziert er sie zusammen mit weiteren Phänomenen als ein und dasselbe Übel. Wäre der konstruierte Zusammenhang halbwegs schlüssig, würde man von Ideologie sprechen. Bei Szymczyk zögert man, das Wort zu gebrauchen. Er entwirft das Bild einer feindlichen Welt und verlangt von Kunst eine Stellungnahme.

 

Schon die Anlage, die Documenta in Kassel und Athen stattfinden zu lassen, ist – mit dem Claim „Von Athen lernen“ – ein überdeutliches Statement. Griechenland, gesehen als Brennpunkt europäischer Krisen, wird zur Chiffre des Weltzustands und zur Aufgabe der Kunst: Sie hat eine politische These abzuarbeiten.

 

Zum Glück für die Documenta hat das nicht ganz immer geklappt mit dem Abarbeiten. So gibt es neben den zahlreichen Manifestationen kuratierter Empörung immerhin einige Arbeiten, die sich der Vereinnahmung verweigern. Sie finden sich ironischerweise vor allem im Fridericianum, das diesmal als Spielstätte der Sammlung des Athener Nationalen Museums für zeitgenössische Kunst (EMST) dient. Athen ist also hier präsenter als sonst irgendwo in der Documenta. Doch die als „Antidoron“ – Gegengabe – für die Documenta-Präsenz in Athen deklarierte EMST-Schau ist in wesentlichen Teilen auch ein Antidot gegen die von Szymczyk inszenierte Thesenkunst.

 

Trotz verfehltem Konzept bleiben ein paar starke Bilder haften, so unter anderem: das Parthenon der verbotenen Bücher auf dem Königsplatz, die Installation der bewohnbaren Kanalisationsröhren mit ihren klaustrophobischen Innenausstattungen, die viel zu schönen Stoffbündel mit den Habseligkeiten von Menschen ohne Zuhause, die riesige Metallplatte mit ihren als Landschaften lesbaren Unregelmässigkeiten, die gesampelte hyperrealistische Fotografie mit Dutzenden von Einzelfiguren am Strand und die ganz klassischen meisterlichen Kohlezeichnungen von Constantin Byzantios.

 

Insgesamt bleibt es aber eine schwache Documenta – da muss man den einhellig negativen bis vernichtenden Besprechungen der grossen Feuilletons zustimmen. Viel stärker war die Documenta 11 von Okwui Enwezor (2002), beispielsweise mit der ebenso poetischen wie unterschwellig beunruhigenden Installation von Mona Hatoum. Eindrucksvoll auch die Documenta 12 von Roger M. Buergel und Ruth Noack (2007), die stark von der Präsenz des überragenden Ai Weiwei geprägt war. Solche Kaliber fehlen an der Documenta 14.

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