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Museumskunst

Das Kunstmuseum Winterthur zeigt gegenwärtig Arbeiten der in Berlin lebenden Georgierin Thea Djordjadze. Sie spielt mit den grossartigen Räumen des Gigon-Guyer-Anbaus.

 

Das eigentliche Kunstwerk ist das Museum selbst. Was Thea Djordjadze ausstellt, ist hineingestelltes und hineingebautes Zeug. Selten hat das Wort «Artefakt» so gepasst. Kunstmachwerke halt. Ein Stuhl, demonstrativ unschön und unbrauchbar. Ein Gestell an der Wand, das nichts als ein Gestell ist, auch wenn Heidegger mit dem Wort die gesamte technische Zivilisation meint. Eine umlaufende schwarze Blechkonstruktion, die ein massives Wandgesimse vortäuscht und durch ihre leichte Schräge beim Betrachter ein unsicheres Raumgefühl erzeugt. Gitterkästen in Vitrinenform, die Werke aus dem Depot des Hauses aufnehmen.

 

Djordjadze thematisiert die Institution des Museums, die nicht nur der Aufbewahrung und Präsentation von Kunst dient, sondern auch als Einrichtung der Kultur, als sozialer Ort, als Beglaubigungs- und Nobilitierungsmaschine für Kunstobjekte fungiert. Das Museum stellt den Kontext bereit, in welchem Artefakte als Texte lesbar werden. Es fokussiert eine gewissermassen angereicherte Aufmerksamkeit auf die Objekte – angereichert mit Erwartungen und Wissen, mit Querbezügen und der Geschichte der Kunst seit den Anfängen.

 

 

Hier wird die Richtung des intertextuellen Geschehens umgedreht. Die ausgestellten Objekte machen ihren Kontext sicht- und erlebbar. Das funktioniert deshalb so ohne weiteres, weil die Exponate «arm» sind, ärmer noch als Minimal Art, Arte povera oder eine mit kunstlosem Material operierende Konzeptkunst. Djordjadzes Zeug bekommt einen Kunstcharakter, wenn überhaupt, allein durch den Kontext des Museums; für sich allein als Text bleibt es stumm, als Inhalt leer. 

 

Das Verfahren der Umdrehung ist nun allerdings in der Gegenwartskunst der Gemeinplatz schlechthin: Betrachter bekommen ihre Wahrnehmungserwartungen gespiegelt, Objekte und Installationen verweigern sich den Standards des Kunstvollen, das Ästhetische wird als Kriterium verweigert und auf die Aisthesis, den Prozess des Wahrnehmens zurückgeführt. Djordjadzes Verschiebung des Fokus vom Text auf den Kontext ist in diesem Sinn nicht nur konventionell, sondern letztlich banal.

 

 

Die Künstlerin hat dabei allerdings das Glück der Cleveren. Es ist eben nicht irgendein Raum, sondern der von Annette Gigon und Mike Guyer realisierte Anbau des Winterthurer Kunstmuseums, den sie zum Bespielen bekommt und als Kontext ihrer Exponate hervorstellen kann. Das kreidige Licht aus den Shedfenstern, die gegossenen Böden, die Durchgänge, Durchblicke und die mit riesigen Wandfenstern gewährten Sichtbezüge nach draussen schaffen ein Raumerlebnis, das wie eine gespannte Membran beim kleinsten Impuls zu klingen anfängt.

 

Dieser Bezug zwischen Raum und Exponaten spielt dank überragender Architektur gerade bei den armen, stummen und leeren Artefakten. Er funktioniert, obschon Thea Djordjadze in zweifacher Hinsicht hinter den Möglichkeiten ihres Arrangements zurückbleibt. Sie will auf der einen Seite zu viel. Ihre uneingelöste Ambition äussert sich deutlich im Titel, bei dessen Nennung sie angeblich auf akkurate Einhaltung ihrer vorgegebenen Schreibweise insistiert: «one is so public, an the other, so private.» Sodann wirkt auch das nonchalante Nebeneinander von logistisch und konstruktiv überaus Anspruchsvollem und Situativ-Zufälligem doch ziemlich divenhaft. 

 

 

Auf der anderen Seite erreicht sie mit ihrer Thematisierung des Museums als Institution auch zu wenig. In einer Zeit, da reihum mit riesigem Aufwand Museen geplant, gebaut und erweitert werden (Chur, Basel, Zürich, Bern, Genf, Lausanne…) wären durchaus kritische Rückfragen am Platz: Wozu genau braucht es alle die Neu- und Erweiterungsbauten? Ist es unabdingbar, dass die Menge des Ausgestellten immerzu wächst? Welchen Aufgaben haben Kunstmuseen sich zu widmen?

 

Thea Djordjadze macht Museumskunst: Ihre Artefakte funktionieren einzig dank des Museumskontextes. Sie weisen die Betrachter von sich weg auf diesen. Ihre Kunst ist in genau diesem Sinn parasitär. Sie saugt ihren Sinn aus dem vom Museum geschaffenen Umfeld, trägt aber nichts dazu bei, das Kulturbiotop Museum mit nachhaltigen Impulsen anzureichern.

 

Kunst Museum Winterthur – beim Stadthaus, bis 17. November 2019

Fotos: UM

 

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