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Tot oder gestorben?

Vielleicht ist es gar nicht so wichtig; trotzdem ist es mir mal wieder aufgefallen. Die Headlines zur gestrigen Meldung über den Tod des Alt-Bundesrats hiessen meistens: Leon Schlumpf ist tot. Nur bei einer der Eilmeldungen las ich: Leon Schlumpf ist gestorben.

 

Ein Unterschied? Die erste Version hat sechs Zeichen weniger. Das kann für die Macher der News eine Rolle spielen. Im Web und bei den Alerts für mobile Geräte dürfte es jedoch technisch unerheblich sein. Nicht ganz belanglos finde ich hingegen die semantischen Nuancen. Das „ist tot“ ist selbstverständlich nicht falsch, aber man kann es auch von Julius Cäsar sagen. Die Aussage ordnet der Person einen Status zu: nicht – oder: seit kurzem nicht mehr – unter den Lebenden, abgemeldet. Die Tonalität ist die eines Hammerschlags oder eines bürokratischen Tastenklicks.

 

Wer hingegen „ist gestorben“ sagt, richtet den Blick auf die Person, die Abschied vom Leben genommen hat. Man spürt dieser Formel an, dass es Betroffene gibt. Sterben ist etwas, das in einem familiären und gesellschaftlichen Echoraum stattfindet. Das nüchtern konstatierende „ist tot“ lässt davon nichts anklingen.

 

Ist es zuviel hinein interpretiert, wenn ich bei dem „ist tot“ eine trotzig-demonstrative Sachlichkeit heraushöre? Sie hätte, wenn ich sie denn richtig registrierte, nichts mit der Person des verstorbenen Alt-Bundesrats zu tun. Auch der Umstand, dass sein Ableben die breite Öffentlichkeit nur moderat bewegt (es ist lange her seit seinem Rücktritt aus dem Amt), scheint mir nicht der Grund zu sein für die Kühle der Meldung. Vielmehr glaube ich, dass Medienleute zu solch kahlen Formeln greifen aus Furcht vor sprachlichem Schwulst.

 

Auf dem Sprachfeld der Todesnachrichten und Trauerbekundungen blüht in der Tat oft ein Wust von unechten Exaltiertheiten und abgelebten Konventionen. Gegenüber solchen Auswüchsen kann selbst eine zur Ruppigkeit neigende Sachlichkeit geradezu als Wohltat erscheinen. Doch in der Medienwelt – und erst recht im Fluss der Kurznachrichten – ist es nicht nötig, sich gegen ein in Floskeln erstarrtes Trauern zu stemmen. Es kommt hier nämlich gar nicht vor.

 

Doch, wie gesagt: Vielleicht ist der Unterschied nicht so wichtig. Nicht wichtiger jedenfalls, als es Nuancen sind – falls es sie hier tatsächlich gibt und ich sie richtig herausgehört habe.

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