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Mediendämmerung

Die No-Billag-Initiative und die Einschnitte bei Presseverlagen (Abbau bei Redaktionen, Zusammenlegung von Titeln) haben prima vista nichts miteinander zu tun. Erstere will primär der SRG die hauptsächliche Geldquelle verstopfen, um den Service public aus dem Mediensystem zu kippen. Letztere sind Entscheide von Managements, die sich von dem seit Jahrzehnten absehbaren Wandel ihres Geschäftsfeldes in die Enge treiben liessen.

 

Bei näherer Betrachtung zeigen sich aber gemeinsame Ursachen. Online-Medien, Free TV und Gratispresse haben die Nutzer dazu erzogen, sich über die Kosten der von ihnen konsumierten Angebote keine Gedanken zu machen. Wer noch nicht länger als etwa dreissig Jahre mit Informations- und Unterhaltungsmedien zu tun hat, kann durchaus den Eindruck haben, all die Programme, Plattformen und Blättchen seien halt einfach vorhanden. Hinzu kommt die Haltung, für die der 2008 von der „New York Times“ rapportierte Ausspruch eines College-Studenten steht: „If the news is that important, it will find me.“

 

Diesem Typus Mediennutzer den Sinn des Modells SRG zu erklären, erweist sich als harter Job. Die hohen Zustimmungsraten für No-Billag namentlich unter jüngeren Leuten sind ein Indiz, dass Verständnis und Akzeptanz des Service public in weiten Teilen der Gesellschaft weitgehend weggebrochen sind. Da ist es fast selbstverständlich, dass auch Interesse und Zahlungsbereitschaft für gedruckte Qualitätstitel immer mehr schwinden.

 

Die düsteren Prognosen sind nicht neu. Bis vor noch nicht langer Zeit galten sie unter Medien-Insidern als unbegründete Angstmacherei, als Ausdruck einer rückwärtsgewandten Haltung, die nicht wahrhaben will, dass aus den Turbulenzen des Umbruchs – heute genauso wie früher – Neues und Besseres hervorzugehen pflegt.

 

Mir scheint, die fortschrittsfrohe Zuversicht sei angesichts der neuesten Medienentwicklungen etwas kleinlaut geworden. Das öffentlich-rechtliche Modell ist in der Defensive. Selbst wenn die unsägliche No-Billag-Initiative im kommenden März abgewendet werden sollte, wird man weiterhin mit vehementen politischen Vorstössen in Richtung SRG-Abbau zu rechnen haben. (Das wäre nicht zwinngend ein Unglück, gäbe es denn einigermassen klare Vorstellungen, worin der enger gefasste Service public zu bestehen hätte und wie er im Medienmarkt funktionieren würde.)

 

Kein gutes Zeichen ist ferner die Konzeptlosigkeit der Verlagsbranche. Sie wird zwar nicht müde, die Verkleinerung der SRG zu verlangen – weiss aber auf die Schwierigkeiten des eigenen Geschäfts offensichtlich keine Antwort. Die Ausrede der Verleger, die SRG nehme ihnen mit ihren parallel zur Einführung von privaten Radios und TVs laufend ausgedehnten Aktivitäten die Butter vom Brot, ist allzu durchsichtig. Wäre da was dran, müsste es der Presse in Ländern ohne starken Service public wie etwa in den USA glänzend gehen. Doch die Probleme sind überall sehr ähnlich.

 

Was ist zu tun? Eine Voraussetzung, damit überhaupt etwas geschieht, ist eine zureichende Vorstellung vom Ausmass der Problematik. Es muss erst das plastische Bild einer Gesellschaft entworfen werden, in der das Angebot an Qualitätsmedien drastisch ausgedünnt ist. Wie die Problematik der Klimaerwärmung erst durch Szenarien überfluteter Länder und Grossstädte, geflohener Völker und unbewohnbarer Regionen anschaulich und dringlich wird, so müssen auch die Folgen der zu befürchtenden Mediendämmerung erst ausgemalt werden, damit man etwas gegen sie tun wird.

 

P.S.: Vor zwanzig Jahren veröffentlichte die ökumenische Fachzeitschrift „ZOOM Kommunikation & Medien“ das Wislikofen Paper, ein Memorandum zur Begründung und Weiterentwicklung des Service public.

 

Nachtrag ex post: Die Auswirkungen der No-Billag-Initiative auf die Schweiz mussten nicht ausprobiert werden; die Initiative erlitt mit 72 Prozent Neinstimmen an der Urne Schiffbruch.

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