Verzicht auf Wegwerf-Plastic beim Take away: politische Folklore, Greenwashing, oder wirksamer Beitrag gegen die Klimakatastrophe?
In den frühen 1980er-Jahren gab es erste Warnungen vor einem möglichen Waldsterben in Europa, Mitte der Achtziger wühlten Bilder abgestorbener Wälder, beispielsweise aus der damaligen Tschechoslowakei, die Menschen im Westen auf. Auch hierzulande lösten Waldschäden Alarm aus. 1983 hielt der Nationalrat deswegen eine Sondersession ab, am 5. Mai 1984 gab es eine nationale Demonstration gegen das Waldsterben in Bern – es war die erste (und einzige) Demo, an der ich mit meinen Töchtern teilnahm.
Der Wald ist dann nicht gestorben. Das wird den Umweltbewegten heute manchmal vorgehalten: Alles leerer Alarmismus, damals wie heute! Doch das stimmt nicht. Die Schäden waren real, die Aussichten bedrohlich. Der Grund, weshalb die Wälder sich erholten, lag in der Reaktion der Politik. Autos mussten fortan mit Katalysatoren ausgerüstet werden (der berühmte «Alleingang» der Schweiz 1986), der Bleigehalt des Benzins und der Schwefelgehalt des Heizöls wurden drastisch reduziert. Der saure Regen hörte auf, die Wälder erholten sich.
Heute sind es nicht die serbelnden europäischen Wälder, sondern es ist das global aus dem Ruder laufende Klima, das Aktivismus auslöst. Die Klimagipfel der Uno haben globales Policymaking zur Abwendung einer drohenden Katastrophe in Gang gesetzt, Fridays for Future ist zur internationalen Bewegung geworden und hat die radikalere Schwester Extinction Rebellion auf den Plan gerufen, die Grünen sind in Deutschland zur drittstärksten Partei geworden und dürften in der Regierungsbildung ein gewichtiges Wort mitreden.
Die Unbelehrbaren, die an keinen menschengemachten Klimawandel glauben, sind allmählich auf verlorenem Posten. Sie spielen keine grosse Rolle mehr. Opposition gegen eingeleitete und geplante Massnahmen kommt umso eher von Kreisen, die ganz einfach an der Möglichkeit einer Eindämmung der globalen Erwärmung zweifeln: weil grosse Player wie China, Indien, Brasilien und andere nicht mitzögen oder weil alle beschlossenen Eingriffe zu spät kämen und zu schwach seien, um die Dynamik der Erderhitzung zu brechen.
In der Tat fällt die Diskrepanz zwischen der pathetischen Parole «Save the Planet!» und den von ihr propagierten kleinen Schrittchen (beim Take away auf Wegwerfmaterial verzichten) ins Auge. Der Beitrag, den solche Massnahmen allenfalls leisten können, ist so verschwindend klein, dass man nicht recht weiss, ob man das Pathos lächerlich oder bloss naiv finden soll.
Aber: Damals vor 35 Jahren beim Waldsterben ging der notwendige Ruck durch Gesellschaft und Politik. Noch ist es möglich, dass jetzt in viel grösserem Massstab wieder so etwas gelingt. Wir, die 1984 in Bern demonstrierten, waren genauso pathetisch und, die meisten jedenfalls, reichlich naiv. Dass es gleichwohl nicht umsonst war, sondern vermutlich einen Beitrag geleistet hat für die Ermöglichung so hoch umstrittener Massnahmen wie des Katalysator-Obligatoriums, ist aus heutiger Sicht ein gutes Zeichen. Es deutet darauf hin, dass die «Save the Planet»-Bewegung eine Chance hat. Möglicherweise.
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