
«Pflegen US-Präsident Donald Trump und seine engen Berater tatsächlich geheimnisvolle Kontakte zum autokratischen Russland? Verfolgen beide Regierungen gemeinsam dunkle Ziele?» – Mit dieser Affiche bewirbt das ZDF seine Doku «Putins Helfer», die am 13. Mai 2025 in der Primetime erstmals ausgestrahlt wurde. Die reisserische Sendung bedient vor allem Klischees und liefert Versatzstücke einer typischen Verschwörungserzählung.
Geheimnisvolle Kontakte, dunkle Ziele – dies die Diktion der gesamten Doku, die der ZDF-Korrespondent Johannes Hano dem Publikum präsentiert. In der 45 Minuten dauernden Sendung lässt ein Trommelfeuer dramatischer Statements und Off-Kommentare das Publikum kaum den Überblick behalten. Grundiert ist die Doku von einer Tonlage des Alarms. Und obschon kaum etwas, das hier rapportiert wird, völlig neu ist, erzeugt Hano mit den unablässig eingesetzten Signalen von Skandal und Sensation den Eindruck von etwas Grossem und Beunruhigendem, das bislang niemand gesehen habe oder habe sehen wollen.
Die Story, die Hano erzählt, ist nicht leicht wiederzugeben, denn sie besteht aus einer Menge lose verbundener Fragmente, bei denen erstens die Art ihres Zusammenhangs meist nur angedeutet ist und zweitens der Status des einzelnen Informationspartikels häufig unklar bleibt. Haben wir es mit einer geprüften Aussage aus verlässlicher Quelle zu tun? Gibt jemand einfach eine Meinung kund? Wie vertrauenswürdig sind die auftretenden Auskunftspersonen? Die wenigen eingestreuten Relativierungen wie «die Aussage lässt sich nicht unabhängig überprüfen» dienen eher als unverbindliche Seriositätsmarker denn als echte journalistische Gewichtungen.
Das Bild, das Hano mit seiner Sendung entwirft, ist ungefähr folgendes: Der russische KGB hat bereits zu Sowjetzeiten den jungen Donald Trump ins Visier genommen und von sich abhängig gemacht. Trump hat die idealen Persönlichkeitsmerkmale, um als eine Figur zu funktionieren, über welche die Sowjets bei Bedarf auf das Geschehen in den USA einwirken können. Später hat Russland dann mit geheimen Manipulationen die Wahl Trumps zum Präsidenten gefördert und nutzt jetzt den verdeckten Einfluss auf die US-Regierung. Trump hat zudem ein eigenes Interesse an Putin, da ihm dessen autokratische Statur mächtig imponiert. Ähnliches gilt für diverse Tech-Milliardäre, insbesondere Elon Musk, die mit demokratischen Standards fremdeln. Genau wie Trump ordnen sie alles dem Geschäft unter und haben daher eine starke Neigung zu autokratischen Verhältnissen. Hano enthüllt, dass neben Trump besonders auch Musk eine Zielperson der Russen für verdeckte Einflussnahme ist. Trump und Putin sind sich in ihrer tiefen Verachtung der liberalen rechtsstaatlichen Demokratie und der gesellschaftlichen Diversität völlig einig und treiben die weltpolitische Entwicklung in die gleiche Richtung. Es gibt zwischen den beiden Regenten nicht nur faktische Übereinstimmungen, sondern auch geheime Absprachen, die vieles erklären, was anders politisch nicht zu verstehen wäre.
Dies in groben Zügen das von Hano skizzierte Bild, das sich aus einer Flut aufregender Einzelheiten nach und nach immer deutlicher herauskristallisiert. Hanos Gewährsleute sind ehemalige Geheimdienstmitarbeiter beider Seiten, so der Ex-FBI-Agent Johnathan Buma und ein ehemaliger KGB-Mann. Weiter treten auf: David Frum, Redenschreiber von George W. Bush, und Rechtsanwalt Scott Horton, der angeblich zahlreiche hilfesuchende FBI-Leute beraten und dem Journalisten den Kontakt zu Buma vermittelt hat. Bei Nachfragen über Quellen blocken sie alle ab: Sie dürfen nichts Konkretes sagen.
Selbst wenn man wohlwollend unterstellt, Johannes Hano habe nicht anderes als Aufklärung im Sinn gehabt und seine Auskunftspersonen hätten die Dinge wahrheitsgemäss geschildet, so stehen doch journalistische Methode sowie Form und Stil in eklatantem Kontrast zum hehren Anspruch dieser Doku. «Putins Helfer» will die zunächst nur vage plausible Hypothese erhärten, es herrsche zwischen Trump und Putin mehr Übereinstimmung, als beide öffentlich zu erkennen geben. Darüber hinaus will Hano glauben machen, es gebe zwischen den beiden Präsidenten so etwas wie eine verabredete gemeinsame Vision. Auf das Ziel hin, diese steile These zu beweisen, ist alles in dieser Doku ausgerichtet: Auswahl der Quellen und Auskunftspersonen, sprachlicher Duktus der permanenten Empörung, Mischung von behaupteter Tatsächlichkeit und raunender Vermutung.
Was aus dieser Methodik resultiert, ist in Form und Stil eine klassische Verschwörungsgeschichte. Wie Kompassnadeln auf den Erdmagnetismus, so sind die Spins aller Bestandteile der Story auf das thesenhafte Aussageziel ausgerichtet. Als Mittel zur «Magnetisierung» der Puzzleteile dienen Stereotypen (hier etwa der Geheimdienstler), Suggestionen (hinter allem steckt ein Plan) und vertraute Erzählformen (hier die des Thrillers). Der Effekt dieser subtilen Manipulation ist ein schockartiger Eindruck von Plausibilität: Ja, es passt plötzlich alles zusammen, es fällt einem wie Schuppen von den Augen, plötzlich machen bisher unverständliche Tatsachen Sinn.
Verschwörungserzählungen sind die potentesten Sinnmaschinen. Sie machen das Undurchschaubare transparent, fügen das Disparate in klare Zusammenhänge und versetzen die Adressaten aus einer Position der Hilflosigkeit in die der souveränen Urteilsfähigkeit. Um welche Inhalte es dabei geht, ist sekundär. Ob man nun endlich die Wahrheit über 9/11 kennt, ob man die mit Corona-Massnahmen kaschierten staatlichen Machtgelüste durchschaut oder ob man sich über die von Putin und Trump klandestin betriebene gemeinsame Sache klar ist: Hauptsache ist immer dieser Schock des Erkennens, den man anderen voraushat und der einen auf eine neue Ebene persönlicher Souveränität katapultiert.
Die Doku «Putins Helfer» enthält durchaus relevantes Material. So stimmt es ja, dass Trump die globale US-Politik und die USA selber in einer Weise verändert, die sicherlich auch in Putins Interesse ist. Es wird zudem zutreffen, dass russische Dienste daran nicht ganz unbeteiligt sind. Auch was die Charakterisierung der handelnden Personen betrifft, hat Hano zweifellos viel Richtiges vorgelegt. Der Neuigkeitswert der Doku ist allerdings bescheiden, und sie punktet denn auch mehr mit Emotion als mit Information. Es ist kein Zufall, dass das ZDF sein Produkt als schockierendes Enthüllungsstück anpreist und sich dabei der Diktion des Thriller-Genres bedient. Für den öffentlich-rechtlichen Sender ZDF ist «Putins Helfer», wenn man es freundlich sagen will, ein Betriebsunfall. Das Thema, ob und in welcher Weise Putin und Trump ähnlich ticken und ähnlichen Vorstellungen anhangen, ist zu wichtig, um es auf diese Weise zu verheizen.
Wenn in einer journalistischen Recherche die Bestandteile rest- und fugenlos zusammenpassen, hat man es nicht mit einer Darstellung der Wirklichkeit zu tun, sondern mit einem Produkt, das ein vorgegebenes Wirklichkeitsdesign bestätigen möchte. In der Realität gibt es ständig Widersprüche, nicht zusammenpassende und vor allem auch nicht erklärbare Dinge. Beim Bemühen, Wahrheiten über reale Vorgänge und Gegebenheiten herauszufinden, kommt es nicht zu schockartigen Erleuchtungen. Diese gehören ins Reich der Geschichten, der Stories. Dass journalistische Stücke im Jargon «Stories» heissen und die Medien aufs «Storytelling» versessen sind, rächt sich halt ab und zu. Wie beispielsweise bei «Putins Helfer».
Stream der Sendung «Putins Helfer»
Pressetext des ZDF zur Sendung
Bild: Screenshot aus "Putins Helfer". Johannes Hano (links) im Gespräch mit dem Ex-FBI-Agenten Johnathan Buma.
Kommentar schreiben