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Versuch über Stil und Politik

Der Wechsel von den Obamas zu den Trumps ist nicht zuletzt ein brutaler Stilbruch. Michelle und Barack stehen für Charakter, Glaubwürdigkeit, Ausdrucksfähigkeit, Eleganz. Bei Donald, Melania und weiteren politisch aktiven Clanmitgliedern stehen zuvorderst Protzerei, Überheblichkeit, Beschränktheit, Egozentrik.

 

Den Absturz als solchen zu benennen, bringt einen als Beobachter fast in Verlegenheit. Wer die politische Katastrophe am Kriterium des Stils festzumachen versucht, setzt sich womöglich dem Verdacht aus, ein Snob zu sein. Also genau einer von jenen, die in den USA jetzt angeblich für ihre Ahnungslosigkeit oder Gleichgültigkeit gegenüber der Lage und Stimmung grosser Bevölkerungsteile abgestraft wurden. Wenige Tage nach der Wahl ist in den Medien eine Generalabrechnung losgebrochen, in welcher über „die Eliten“ (nicht nur der USA) hergezogen wird, die sich von „der Gesellschaft“ abgekoppelt hätten und nun die Quittung erhielten.

 

Kann auf dem Schlachtfeld der Politik so etwas Ätherisches wie Stil tatsächlich ein Unterscheidungsmerkmal sein? Es sei hier die These versucht, dass Stil zählt, dass es auf Stil ankommt, mehr noch: dass Stil eines der Hauptkriterien für die Beurteilung politischer Akteure ist.

 

„Stil haben“ meint neben positiv-markanter Erscheinung und gewinnend-nachdrücklicher Wirkung auch eine konsistente Haltung, die sich, ohne unablässig davon zu reden, an Vorstellungen von Emanzipation, Gerechtigkeit und Frieden orientiert. Stil haben bedeutet ferner, den Respekt für Demokratie und Staat hochzuhalten – und die Wichtigkeit des eigenen Egos entsprechend zu relativieren. Politikerinnen und Politiker mit Stil finden die Balance zwischen persönlicher Authentizität und repräsentativer Funktion. Sie sind nicht identisch mit ihrem Amt, sondern behalten einen Rest von Distanz zur offiziellen Rolle. Mit anderen Worten, sie bleiben Bürgerin und Bürger und sprechen, gerade auch mit der Autorität des Amtes, grundsätzlich zu ihresgleichen.

 

Stil zu haben, ist eine Dimension des Kommunikativen, und zwar keine instrumentelle, sondern eine essentielle. Basis und Massstab aller politischen Kommunikation ist die klassische Rhetorik. Sie wiederum ist kein wertfreies Instrumentarium zur Beeinflussung des Publikums, sondern eine Disziplin des rationalen Überzeugens.

 

Schon bei Aristoteles ist vorausgesetzt, dass es in der Rhetorik nur darum gehen kann, Vernünftiges überzeugend vorzubringen. Ihr eingebautes Korrektiv gegen vernunftfremde Manipulationen besteht darin, dass die Lehre der Rhetorik die Angesprochenen ernst nimmt. Sie tut es dadurch, dass sie den Mehrwert des freien, zwanglosen Diskurses gegenüber der manipulativen Überredung unter anderem auch als ästhetische Differenz herausstellt. Der vernünftige Diskurs ist schön. Er bereitet Genuss, indem er Vernunft und Urteilsfähigkeit des Vis-à-vis einbezieht. Er überwältigt nicht, sondern er beteiligt. Er fängt die Menschen nicht mit Tricks, sondern legt seine Fakten, Gründe und Schlüsse offen.

 

Das Feld des Politischen ist voller Tücken und macht es oft schwierig, Vernünftiges von Unsinn und Betrug zu trennen. Manipulatoren geben stets vor, sich an die Regeln des rationalen Diskurses zu halten. Der mit den jüngsten US-Wahlen erfolgte Dammbruch einer „postfaktischen Politik“ hat die Disziplin der klassischen Rhetorik auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen. Trotzdem von Stil zu reden und die Gewinner der Wahl auf ihren politischen Stil hin zu beurteilen, ist ein Akt des Widerstands. Erst wenn dieser aufgegeben würde, hätte Trump definitiv gewonnen.